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"Archivum Medii Aevi Digitale - Specialized open access repository for research in the middle ages"
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Date: 2007
Title: Ein "Stadtorden" auf dem Land. Der Augustiner-Eremiten-Konvent Seemannshausen im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit
Author: Weindl, Martin
Description: Die Dissertation knüpft an die Ergebnisse der jüngsten Mendikantenforschung an, die die Bettelorden nicht mehr nur als Phänomen mittelalterlicher Urbanität versteht, sondern auch ihre Ausstrahlung auf die dörfliche Welt und den Grad ihrer Integration in ländliche Strukturen genauer zu bestimmen will. Diese Erweiterung der Perspektive drängt sich beim niederbayerischen Augustiner-Eremiten-Konvent Seemannshausen geradezu auf, weil er aus einem 1255 vom Regensburger Domdekan Heinrich Seemann gestifteten, eher agrarisch orientierten Wilhelmiten-Kloster hervorging und deshalb von vorneherein darauf angewiesen war, in der ländlichen Gesellschaft einen adäquaten Platz zu finden. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür schufen die Erstausstattung durch die Gründerfamilie und Zuwendungen der Grafen von Leonsberg. Auf dieser Basis konnte der Konvent ein Netz vielfältiger Kontakte zum regionalen Adel aufbauen, die seine Existenz konsolidieren halfen. In der frühen Konventsgeschichte spielte die Integration des Seemannshausener Wilhelmiten-Klosters in den neuen Bettelorden der Augustiner-Eremiten eine besondere Bedeutung, da diese nur gegen den Widerstand der Mönche vollzogen werden konnte. Es bedurfte 1263 der Intervention des Regensburger Bischofs, um den Ordenswechsel herbeizuführen, der durch das erste Provinzkapitel der deutschen Augustiner in Seemannshausen 1264 nachdrücklich bekräftigt wurde. Den Besitzstand des Konvents sicherten Schenkungsbestätigungen der bayerischen Herzöge ab. Auch die pastorale Bedeutung des Konvents für die Region war durch die Gewährung von Ablässen durch die Bischöfe von Regensburg und der Nachbardiözesen und durch die Verleihung des Rechts Beichte zu hören und zu predigen hinreichend aufgewertet. In der Konstituierung als Klosterhofmark und im Erwerb eines wirtschaftlich wertvollen Salzprivilegs fand die Konsolidierungsphase um 1350 einen gewissen Abschluss. Das umfangreichste Kapitel der Dissertation ist dem Personal des Konvents gewidmet, wobei die Prioren im Mittelpunkt stehen. Trotz der schmalen Quellenbasis konnte ein umfangreicher Bestand prosopographischer Daten erschlossen werden, die neben biographischen Angaben nicht nur vielfältige Informationen über Klosterkarrieren und Aktivitäten, sondern auch Aufschluss geben über die Konventsleitung und vorhandene Ämter, die Einbeziehung in das Pfarrsystem, über Fragen der klerikalen Ausbildung, zeitspezifischer Entwicklungen und besonderer Ereignisse. Das dritte Kapitel der Arbeit behandelt die wirtschaftliche Entwicklung des Konvents. Es setzt ein mit einem Überblick über die Grundausstattung, die in strenger Interpretation mit dem Armutsideal eines Mendikantenordens nicht vereinbar war. Es zeigt sich aber, dass das strikte Bekenntnis der Augustiner-Eremiten zum mendikantischen Armutsideal, etwa in den Regensburger Konstitutionen von 1290, pragmatische Lösungen nicht völlig ausschloss. Darüber hinaus müssen in den ersten Jahrzehnten freiwillige Almosen und auf Terminierstationen in Mühldorf und Burghausen gestützte Bettelgänge für die Versorgung des Konvents eine nicht unwichtige Rolle gespielt haben. Die dazu nötige Sicherung der räumlichen Mobilität der Mönche gewährleisteten Schutzbriefe der Bischöfe von Regensburg, Passau, Salzburg und Freising. Die Entfaltung einer ordenseigenen Seelsorgetätigkeit neben dem bestehenden Pfarrsystem setzte zudem eine Exemtion von der bischöflichen Jurisdiktion voraus. Mit dem Angebot pastoraler Dienste in Beichte, Predigt und Begräbniswesen und durch die Attraktion von Ablässen erhöhte sich die Aussicht auf Almosen und als Spenden kaschierte Gebühren. Für den Beginn des 14. Jahrhunderts ist eine starke Zunahme der Seelgerätstiftungen zu konstatieren, die als Gegenleistung für das liturgische Totengedächtnis dem Konvent namhafte Einnahmen einbrachten, die man durch spitzfindige Konstruktionen mit dem Armutsideal in Einklang zu bringen suchte. Zahlreiche Einzelfälle illustrieren das Spektrum der Gestaltung solcher Stiftungen. Im Gesamtüberblick über die wirtschaftliche und spirituelle Wirksamkeit der Augustiner-Eremiten von Seemannshausen zeichnet sich deutlich eine Kernzone im näheren geographischen Umfeld des Konvents ab, der eine weiter ausgreifende Region extensiver Nutzung angelagert war. Demnach boten die agrarwirtschaftlichen und sozialen Strukturen des ländlichen Raums für einen Mendikantenkonvent durchaus eine dauerhaft tragfähige Existenzgrundlage und ein pastorales Wirkungsfeld, das dem Selbstverständnis des Ordens als Institut der Seelsorge adäquat war. Ein umfangreicher Quellenanhang stellt in Regestenform das verfügbare Quellenmaterial in chronologischer Abfolge zusammen. Er basiert auf der erstmaligen gründliche Erschließung der archivalischen Überlieferung zum Konvent Seemannshausen und stellt das eruierte Material zu weiteren Auswertungen bereit.
URI: https://www.amad.org/jspui/handle/123456789/65381
Other Identifier: https://epub.uni-regensburg.de/10591/
AMAD ID: 549933
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