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Date: 2008
Title: Die verfassungsrechtliche Stellung des Reichsgrafenstandes vom Ausgang des Mittelalters bis zum Ende des Alten Reiches
Author: Schönburg-Hartenstein, Nikolaus
Description: Der Aufstieg der Grafen und Freien Herren vom Stand eines königlichen Beamten zu einer, wenn auch eingeschränkten Landeshoheit umfasste das Spätmittelalter und die beginnende Neuzeit. Sie waren früh in das sich entwickelnde Lehenssystem und damit auch in den Feudalisierungsprozeß des Reiches mit eingebunden. Als Teil der Adelshierarchie und durch Reichslehen hatten sie auch direkten Zugang zum Reichsoberhaupt. Ihre verfassungsrechtliche Stellung war aber umstritten, ihr Herrschaftsbereich bestand aus einer Reihe von nur sehr schwer überschaubarer Rechtsverhältnisse. Die Fürsten versuchten ihre Machtstellung über die angrenzenden Herrschaftsgebiete dieser Grafen auszudehnen. Ihre auf Mediatisierung ausgerichtete Politik stützte sich vor allem auf den Umstand, dass diese Mindermächtigen nicht nur über Reichslehen, sondern auch über Regalien verfügten, die ihnen von den fürstlichen Lehensherren übertragen worden waren. Gegen diese Politik hatten sie sich ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts vorerst durch Landfriedenseinigungen zur Wehr gesetzt. Ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts schlossen sich viele der Mindermächtigen zu eigenen Kollegien zusammen , um ihre erworbenen Rechte auch im selbständigen Wirkungsbereich verteidigen zu können. Der Kaiser erkannte die Möglichkeit, diese Gruppierungen im Rahmen seiner Politik der Erhaltung einer Reichsverfassung gegen eine sich immer stärker ausdehnende fürstliche Machtausweitung einzusetzen. Das Reichsoberhaupt fungierte daher im zunehmenden Ausmaß als oberster Schutzherr der Reichsgrafen und Freien Herren. Die Beteiligung an der Willensbildung im wichtigsten Organs des Reiches, dem Reichstag, konnte jedoch gegen den langen Widerstand der Fürsten durchgesetzt werden. Aber diese mühsam erkämpften Stimmrechte blieben als gemeinsame Stimme auf einer einzelnen Korporation beschränkt. Auch als auf dem Reichstag von 1653/54 allen anderen Reichgrafen der Zugang zu den einzelnen stimmberechtigten Kollegien gestattet wurde, blieb die Beschränkung der Stimmrechte bis zum Ende des Alten Reiches bestehen. Aber diese Reichsstandschaft zusammen mit der viel weniger bestrittenen Reichsunmittelbarkeit der Grafen und der ihnen zu Beginn der Neuzeit zugestandenen Wehr- und Steuerhoheit wurde zu der wesentlichen Grundlage einer sich entwickelnden Einbindung in das Verfassungsgefüge des Reiches. Zusätzliche Möglichkeiten zur Verteidigung übertragener Rechte eröffneten sich mit der Einführung der Reichskreise. Diesen wurde durch die Reichsverfassung Befugnisse eingeräumt, in deren Rahmen die Mindermächtigen ihre Mitwirkung an der Entwicklung des Reiches mit unbeschränkten Stimmrechten ausüben konnten Die zu Beginn der Neuzeit eingesetzten Reichsgerichte boten zunehmend umfangreichen Schutz vor fürstlicher Willkür. Der Dienst am kaiserlichen Hof, auch im Rahmen der Diplomatie und Reichsheeres eröffneten neue Möglichkeiten der Einflussnahme auf die kaiserlicher Politik, zum Vorteil nicht nur für die eigene Familie, sondern für den Stand insgesamt. Auch der ihnen offen stehende Aufstieg innerhalb der Reichskirche ermöglichte den Zugang zu den wesentlichen Entscheidungsgremien des Reiches. Vom Einfluss des bis zum Ende des Alten Reiches bestehenden Lehensrechtes konnten sich die Mindermächtigen jedoch nie ganz lösen. Sie waren territorial und ökonomisch zu schwach, um den Ausbau ihrer eingeschränkten Herrschaft zu einer vollen Landeshoheit auszuweiten. Sie blieben in einem eher patrimonialen Herrschaftsgefüge stecken, in dem die von ihnen ausgeübten grundrechtlichen Befugnisse nur schwer von der tatsächlichen Ausübung öffentlicher Gewalt unterschieden werden konnten.
URI: https://www.amad.org/jspui/handle/123456789/64531
Other Identifier: http://othes.univie.ac.at/585/
AMAD ID: 550410
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